Sonntag, 26. Juni 2016

Sputnik 3 – eine dramatische Reise nimmt ihren Lauf


Abb. 1 Nutzlastkonzept von Sputnik 3
Als am Morgen des 26. Junis einige Mitglie
der der AG Amateurfunk und Elektronik mit ihren Helfern den Aufbau für die Bodenstation der bevorstehenden Sputnik 3 Mission begannen, ahnte noch keiner die dramatischen Wendungen des Tages. Die Wetterbedingungen morgens 10 Uhr versprachen einen ruhigen Start, Tische und Stühle, Anschauungsmaterial und die Funkstation für die Verfolgung des Ballons wurden schnell aufgebaut. Alexander (DD5DX) und Ralph kamen auch pünktlich gegen 12 Uhr mit zwei vollen 40l Heliumflaschen samt Füllgarnitur. Der Startplatz wurde mit Schutzplane und notwendigen Utensilien hergerichtet. Zur Sicherheit erfolgte eine Abspannung des mittleren Sportfeldes mit Baustellenband.
Nach der Eröffnung des Schulfestes trafen sich alle Beteiligten der Ballonmission zu letzten Absprachen. Der Funkkontakt untereinander wurde noch einmal durch die anwesenden Funkamateure Steffen (DO2AS) und Jens (DM4JH) getestet, bevor die Verfolgerteams Andreas (DG0HAB), Dietmar (DL4HWO), Herbert (DL3HWO) und Günter (DG3HWO) sich in Richtung der erwarteten Flugroute begaben. 
Abb.2 Bodenkontrollstation

Die zweite Bodenkontrollstation in Wolfen wurde von Sören (DL2HQS) und Andreas (DL9HWO) planmäßig in Betrieb genommen. Mit den in 120 Meter Höhe befindlichen Antennen auf dem Schornstein der Wolfener Stadtwerke sollten beide in der Lage sein, unsere Mission über die ganze Dauer zu verfolgen.
Gegen 14.30 MESZ begann die Befüllung des 1000g Wetterballons unter den Augen vieler Schaulustiger. Um das Ereignis für die Anwesenden etwas verständlicher zu machen, kommentierten die anwesenden AG-Mitglieder über eine Lautsprecheranlage die einzelnen Schritte. Kurz vor dem Start traf das MDR-Fernsehen Sachsen Anhalt ein.
Abb. 3 Befüllen des Ballons

Abb. 4 Anbringen der Nutzlast

Abb. 5 Die AG verabschiedet Sputnik 3 in die Stratosphäre
Punkt 15.14 MESZ erhob sich Sputnik 3 unter Anwesenheit vieler hundert Schaulustiger in den Himmel. Die Telemetrie funktionierte hervorragend, der Auftrieb des Ballons hob die Nutzlast zügig über die Dächer der Stadt. Minuten später konnte die Bodenstation anhand der übermittelten Daten Genaueres über die Steigrate sagen. Statt der erwarteten 5 Meter pro Sekunde flog die Nutzlast nur mit etwa 3 Meter pro Sekunde in die Stratosphäre. Ein erster Schreck breitete sich unter den anwesenden Mitgliedern der Bodenstation aus. Welche Konsequenzen sollte die geringere Steigrate für die Flugdauer und Strecke haben? Eilig wurden die Vorhersagen neu berechnet und angepasst. Die Flugdauer musste etwa eine Stunde länger kalkuliert werden. Die Strecke dehnte sich in Richtung Meißen (Sachsen) aus, um dann in oberen Windströmungen zurück in den Bereich Döbeln zu führen. Egal, jetzt war Zeit, einen Beruhigungskaffee zu trinken, nachdem die Verfolgerteams über Funk darüber informiert waren.
Abb. 6 Sputnik 3 auf dem Weg
In einer Höhe von etwa 10300 Metern setzte dann um 16:30 MESZ plötzlich der Innentemperatursensor aus. In der Box gab es bis dahin keine Auffälligkeiten. Die Temperatur lag bei etwa 26 °C. Irgendetwas musste mit dem Drucksensor passiert sein, weil die Temperatur von dem hochgenauen Temperaturnormal des Sensors abgeleitet wurde.
Um 16:50 MESZ geschah dann das Unglaubliche, Sputnik 3 verstummte in einer Höhe von 13030 Metern bei einem Luftdruck von 173 hPa. Eine beklemmende Stille machte sich unter den Anwesenden der Bodencrew breit. Was konnte die Nutzlast nach fast zweistündigem erfolgreichen Flug zum Schweigen gebracht haben? Fieberhaft wurde nach Fehlern in der Empfangsanlage gesucht, die Frequenz nach oben und unten korrigiert. Aber es half nichts, auch die Bodenstation 2 in Wolfen und die Verfolgerteams bestätigten den Blackout der Nutzlast um 16.50 Uhr.
Es folgten bange Stunden und Hoffen. Der Drucksensor wurde schnell als möglicher „Übeltäter“ ausgemacht. Sein kompliziertes I2C-Protokoll wurde noch nie unter diesen Bedingungen, wie nahezu Vakuum und tiefsten Temperaturen getestet. Obwohl im Datenblatt beschrieben stand, dass der Sensor bis 10hPa problemlos funktionieren sollte, schlossen wir einen Defekt unter diesen Extrembedingungen nicht aus. Doch die Hoffnung wurde zunächst nicht aufgegeben. Wenn Sputnik 3 nach seinem Burst wieder in untere Schichten der Atmosphäre eindringen sollte, hofften wir auf eine Wiederaufnahme seiner Signale. Das sollte etwa gegen 20 Uhr passieren. Die Bodencrew nutzte die Zwangspause zu einer kleinen Stärkung, Kathrin besorgte uns aus einem nahegelegenen Imbiss etwas Verpflegung zum Trost.
Abb. 7 Bahn von Sputnik 3 bis zum Blackout
Die Zeit der Wiederaufnahme möglicher Signale rückte immer näher, doch auch nach 20 Uhr blieb die Frequenz geisterhaft still. Die Stimmung der Bodencrew am Liborius-Gymnasium sank langsam auf den Tiefpunkt. Der Sensor schien durch den enormen Unterdruck mechanisch zerstört worden zu sein. Alle hofften aber noch auf unser Notfallsystem, Ralph hatte seiner Nutzlast einen sogenannten GSM Tracker beigefügt, der bei Annäherung an die Erdoberfläche über ein Mobilfunknetz seine Position übermitteln würde. Doch um 20.30 Uhr kam noch immer keine Meldung. Der Ballon musste nach unseren Berechnungen längst gelandet sein.
Abb. 8 Ratlosigkeit bei der Bodencrew
 Jetzt wurde der Entschluss gefasst, dass die Bodencrew noch bis 21 Uhr warten wollte, dann sollte die Ballonmission aufgegeben werden. Die Zeit verstrich und kein Signal konnte aufgenommen werden. Niedergeschlagen bauten alle die Antennen und Geräte der Bodenstation ab. Die Verfolgerteams wurden über den Abbruch der Mission informiert. Sie sollten auch den langen Weg von Meißen nach Hause antreten. Keiner sagte ein Wort. Nach diesen Ereignissen blieb nur noch die geringe Hoffnung auf einen ehrlichen Finder.
Ralph und Alexander saßen schon im Auto, um sich auf die Heimreise zu begeben, als beide plötzlich eine Vollbremsung einleiteten. Gegen 21.05 Uhr meldete sich der GSM Tracker, um 21.10 Uhr hatten wir die Gewissheit. Der Ballon war noch in der Luft! 21.15 Uhr- Erleichterung und unglaubliche Freude unter den Anwesenden. Die Landekoordinaten der Nutzlast wurden übertragen.
Abb. 9 Sputnik 3 im Feld bei Altenburg
Nach knapp über sechs Stunden landete die Sonde zwischen Modelwitz und Zschaiga im Altenburger Land, südlich der Stadt Altenburg. Die direkte Entfernung zwischen Start- und Landeplatz beträgt damit etwas mehr als 100 km. Der Ballon legte bis zum Landeort mehr als 200 Kilometer zurück.
Natürlich wurden die Verfolger sofort über Funk informiert. Die Teams beschlossen, die Bergung noch am selben Tag (Nacht) einzuleiten. Wie der Zufall es wollte, lagen die Koordinaten nicht weit vom Wohnort unserer Missionsmitglieder Ralph und Alexander. Alle drei Teams bewegten sich in einer Art Sternfahrt zum Landeort.
Abb.10 Das Bergungsteam vor Ort
Alexander und Ralph trafen nach etwa eineinhalb Stunden als erste am Landeort ein, nur wenige Minuten später kamen auch Dietmar, Günter, Andreas und Herbert dazu. Die Box wurde geöffnet und kontrolliert. Alles war unbeschadet. Der Ballon mit Fallschirm und Nutzlast landete sanft in einem Getreidefeld. Lediglich der Unterdruck hatte den Deckel der Nutzlast gewölbt. Hier mussten extreme Kräfte gewirkt haben. War das der Grund für den Ausfall des Drucksensors?
Die Teams führten einen Reset des Mikrocontrollers von Sputnik 3 vor Ort aus. Siehe da, Sputnik sendete wieder Signale.
Die Verfolgerteams aus Wolfen machten sich mit Sputnik 3 auf den Weg nach Dessau. Gegen 1.45 Uhr trafen sie gutgelaunt bei Kathrin, Steffen (DO2AS) und Jens (DM4JH) im Garten, mittlerweile zu Hause ein. Dort warteten für alle zum Anstoßen zwei gekühlte Flaschen Sekt. Bevor alle endlich zufrieden mit dem Ergebnis der Sputnikmission ins Bett sanken, wurde natürlich noch ein Blick auf die Ergebnisse der wertvollsten Nutzlast geworfen, der Speicherkarte der Kamera. Mehr als vier Stunden und 48 Minuten HD Videos aus bis zu 34 Kilometer Höhe wurden erfolgreich solange aufgezeichnet, bis die Karte voll war. Alle Stromversorgungen haben unter den Extrembedingungen durchgehalten.
Abb. 11 Atemberaubende Bilder der Kamera vom Start

Abb. 12 Startosphäre in 34 Kilometer Höhe
Eine Analyse der SD-Karte des Flugschreibers am nächsten Tag bestätigte den Ausfall der Nutzlast um 16.50 Uhr. Jetzt geht es an die Auswertung der Daten und an die Ursachenforschung.
Alle sind der Meinung, es sollte vielleicht einen Sputnik 4 geben. Vielleicht? ;-)

Danke an alle Beteiligten

Jens (DM4JH)
Abb. 13 Fertige Nutzlast ein Tag vorm Start

Abb. 14 AG bei Lötarbeiten an der Nutzlast

Abb. 15 Bau der Box für Sputnik 3

Abb.16 Das GPS Modul wird integriert

Abb.16 Fertigstellung der Styroporbox