Sputnik 3B – auf „dunklen Wegen“ in die Stratosphäre
In den Medien ausführlich dargestellte Berichte über
erfolgreiche Weltraummissionen der Vergangenheit des
Raumfahrtzeitalters zogen im Vorfeld immer sogenannte „Dark
Missions“ (Dunkle Missionen) nach sich. Hier konnten die
Wissenschaftler und Ingenieure ohne den Druck der Öffentlichkeit
auch Dinge ausprobieren, sowie Fehlschläge prüfen und verarbeiten.
Abb.1 Sputnik 3B mit GSM-Tracker |
Den Lesern dürfte der spektakuläre Flug der Sputnik 3 Mission
der AG Amateurfunk und Elektronik aus dem Jahr 2015 noch in
Erinnerung sein. Die traumhaften Bilder aus 34 Kilometer Höhe und
die erfolgreiche Bergung der Nutzlast nach fast sechs Stunden
Flugzeit konnte jedoch über den großen Misserfolg der Mission, den
Totalausfall der Telemetrie ab einer Höhe von 13 Kilometern, nicht
hinwegtäuschen. So wurde die Zeit der Arbeitsgemeinschaft im
zurückliegenden Schuljahr 2015/2016 für eine intensive Fehlersuche
und Analyse genutzt.
Die erfahrenen Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft der
Klassenstufen 11 und 12 konnten unter Laborbedingungen (Messungen der
Nutzlast unter einer Vakuumglocke) die Ausfallursache erfolgreich
verifizieren. Der Fehler des Speicherüberlaufs aufgrund einer zu
klein angelegten Stringvariablen der Höhenangabe erwies sich als
immer wahrscheinlicher. Schnell wurde die Software modifiziert und
konnte im Dauerbetrieb unter der Vakuumglocke erfolgreich bis auf
eine Höhe von 34 Kilometer getestet werden. Als weitere
Sicherheitsmaßnahme wurde ein sogenannter „Watchdog“ (Wachhund)
in den Quellcode implementiert. Spätestens nach acht Sekunden muss
in der Hauptschleife der Firmware von Sputnik der Watchdog-Timer
zurückgesetzt werden. Sollte aufgrund von Speicherproblemen oder
anderen Hardwareereignissen dieses Zurücksetzen ausbleiben, führt
der Sputnik-Controller einen Hardwarereset aus und kann mit
bereinigten Speicher hoffentlich wieder seine Arbeit aufnehmen.
Aber was taugt eine Theorie, die unter realen Bedingungen noch
nicht überprüft wurde? Wird Sputnik 3 mit veränderter Firmware den
Anforderungen eines Extremfluges in die eisigen Umweltbedingungen der
Stratosphäre gerecht? Schnell stellten die AG-Mitglieder einen
Anforderungskatalog an einen möglichen Testflug zusammen.
Hauptpunkte dieses Kataloges waren:
- ein Aufstieg in mindestens
20 Kilometer Höhe,
- die Mitführung eines
Backupsystems in Form eines GSM-Trackers (D1-Netz)
- eine leichte Nutzlast
zwecks Kosteneinsparung (max. 400 Gramm)
- gleiche Voraussetzungen der
Nutzlast hinsichtlich Sensoren und Energieversorgung wie 2015.
Abb.2 Spuntik 3B mit neuem Kreuzdipol |
Damit stand fest, dass diese Mission auf alle Videoaktivitäten
und zusätzliche Messungen wie sie für eine Folgemission geplant
sind, verzichten musste. Mit einer Gesamtmasse der viel kleineren
Nutzlastbox von 320 Gramm, konnte ein wesentlich kleinerer Ballon der
Marke TOTEX/300g zum Einsatz kommen.
Erfreulicherweise trat mit Mirko ein erfahrener „Balloner“ in
unseren Ortsverband (W28, Ortsverband Wolfen des Deutschen
Amateurradioclubs) ein. Mit teilweise spektakulären Ballonmissionen
im Rahmen seines Skyriderprojektes verfügt er über wertvolle
Erfahrungen rund um die Probleme einer Ballonmission. So erklärte
sich Mirko spontan bereit, uns mit seinen Erfahrungen und einer
Flasche Helium in Reinstform zu unterstützen. Der Countdown für das
Abenteuer „Sputnik 3B“ konnte also starten.
Von Anfang an war klar, Sputnik 3B soll eine „Dark Mission“
werden. Der Starttermin und der Ablauf der Mission wurde unter
strenger Geheimhaltung nur von den an der Mission beteiligten
Entwicklern und Helfern geplant. Keine Presse, keine Zuschauer
sollten den hochkonzentrierten Ablauf von Sputnik 3B stören. Der
Startort wurde auf den Anhalter Platz in unmittelbare Nähe der
Clubstation DL0HWO der Funkamateure in Wolfen gelegt.
Abb.3 Neue Verfolgerstation auf Raspberry-Basis |
Aus den Erfahrungen der Vorgängermission heraus begann in Wolfen
auch eine fieberhafte Arbeit an der Verbesserung der Ausrüstung der
Verfolgerteams. Günter (DG3HWO) und Dietmar (DL4HWO) entwickelten
und rechneten einen Kreuzdipol, der unter Einbeziehung der Kapazität
des Autodaches Rundstrahleigenschaften über den gesamten
Himmelsbereich aufweist. Wie erfolgreich diese Antennen arbeiteten,
wird sich später im Bericht noch zeigen. Die Bordcomputer im Auto
wurden auf den neuen Raspberry Pi 3 umgestellt. Durch Verwendung des
neuen Pi-Touchscreens konnte der gesamte Aufbau in einem
tabletartigen Gehäuse integriert werden. Somit gehen nur noch zwei
Verbindungen nach außen, die Energieversorgung über USB und die
serielle Anbindung an das Funkgerät. Ein GPS-Modul, direkt mit der
GPIO des Raspberry Pi verbunden, liefert zuverlässig Positionsdaten
für die genaue Lokalisierung des Verfolgerfahrzeuges. Das
Betriebssystem auf Linuxbasis wurde speziell für den Einsatzzweck
angepasst. Mittels der APRS-Software Xastir stand für die Mission
ein internetunabhängiges Verfolgersystem mit Kartendarstellung zur
Verfügung.
Abb.4 Startplatzvorbereitung |
Vom Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt erhielten wir für den
18.06.2016 in der Zeit von 9 Uhr bis 10.30 Uhr die
Aufstiegserlaubnis, eine Luftverkehrsfreigabe durch die DFS war
aufgrund der Gesamtmasse der Mission von 620 Gramm nicht nötig.
Einige Tage vor dem Start zeigten die Vorhersagen am CUSF Landing
Predictor, dass die Reise ins nördlich gelegene
Nuthe-Landschaftsschutzgebiet gehen sollte. Die Kalkulation von
Sputnik 3B orientierte sich am Missionsziel, Bursthöhe etwa 23000
Meter, Aufstiegsrate 5 m/s, Sinkrate 5 m/s. Interessant an dieser
Stelle war der Vergleich der Kalkulation mit der von Mirko
entwickelten Kalkulation für die größeren Skyrider-Missionen. Die
klassische HAB-Burst-Kalkulation lieferte eine Gasmenge von etwa 1,2
m³ bei 910 Gramm Necklift (590 Gramm reinen Auftrieb), Mirkos
Kalkulation ergab unter Berücksichtigung des veränderlichen
Reibungskoeffizienten des Ballons eine Gasmenge von mindestens 2 m³.
Um die Tauglichkeit der Berechnung für kleinere Ballons zu testen,
wurde die klassisch berechnete Gasmenge angestrebt.
Abb. 5 Befüllung von Sputnik 3B |
Am Starttag trafen sich alle Beteiligten pünktlich 7 Uhr zu einem
stärkenden Frühstück in der Clubstation.Trotz der Aufregung über
das bevorstehende Ereignis genossen alle das liebevoll vorbereitete
Frühstück, letzte Details wurden in lockerer Atmosphäre
abgesprochen. Pünktlich acht Uhr begannen wir mit den Vorbereitungen
des Startplatzes. Das Wetter war optimal, leichter Wind und blauer
Himmel. Günter (DG3HWO) und Herbert (DL3HWO) fuhren bereits mit dem
Verfolgerfahrzeug Nummer 3 ins erwartete Zielgebiet.
Abb.6 Ballonromantik |
Kurz vor dem Befüllen sorgte Mirko noch für eine kleine
Schreckensnachricht. Die bei der Übergabe zugesicherte Gasmenge von
etwa 2,5 m³ Helium schien sich auf 0,9 m³ verringert zu haben.
Diese Menge würde nach klassischer Rechnung nicht einmal für die
angestrebte Steigrate ausreichen. War das Missionsziel gefährdet?
Musste der Start abgebrochen werden? Gott sei Dank erwies sich der
abgelesene Wert als fehlerhaft, die Manometereinteilung am
Druckminderer war irreführend.
Erleichtert begann das gesamte Team gegen 8.30 Uhr mit der
Befüllung von Sputnik 3B. Hier zeigte sich wieder der große
Teamgeist aller Beteiligten. Jeder packte mit an, die Nutzlast wurde
in Betrieb genommen, der Fallschirm vorbereitet und mit der Nutzlast
verbunden. Die Sputnik-Bake begann mit ihren planmäßigen Aussenden.
Pünktlich 8.45 Uhr war das gesamte Gespann von Sputnik 3B bereit und
wartete auf den Start. Aufgrund aufkommender Winde wurde in einer
ruhigen Phase entschieden, die Nutzlast 6.50 Uhr UTC (8.50 MESZ) auf
ihre bevorstehende Reise zu schicken. Unter tosendem Applaus
verschwand Sputnik 3B in den blauen Himmel. Die Steigrate nach dem
Start stellte sich mit zügigen 5,2 m/s ein, verringerte sich aber
später auf Werte zwischen 3,3 bis 4 m/s. Die Verfolgerfahrzeuge 1
(Andreas DG0HAB, Mirko, Markus), 2 (Kathrin, Heidi, Franz-Alwin DD3FA
und Jens DM4JH) und 4 (Hansi DG1HVL und Andreas) traten ihre Fahrt in
das Zielgebiet auf der A9 an. Steffen (DO2AS), Dietmar (DL4HWO) und
Gerhard (DO4GDE) besetzten Mission Control auf der Clubstation. Die
Kommunikation sollte zunächst über das Wolfen-Relais DB0WOF und
später über DB0BEL (Belzig) mit den Verfolgern zwecks Koordination
aufrechterhalten werden. Sputnik 3B bewegte sich zügig auf der
vorausberechneten Route über Gräfenhainichen und Kemberg Richtung
Wittenberg. Etwa auf Höhe Kemberg überschritt die Nutzlast die mit
Spannung erwartete Höhe von 10 Kilometern. Mit großem Jubel wurde
registriert, dass alle Systeme von Sputnik 3B normal arbeiteten. Der
verhängnisvolle Fehler, der zum Ausfall der Mission Sputnik 3 führte
schien erfolgreich behoben zu sein. Mit Überflug der Elbe bei einer
Höhe von 15315 Metern erreichten die Verfolger 1, 2 und 4 ihren
Zwischenstandort in einem Gewerbegebiet an der B2 bei Treuenbrietzen.
Alle waren gut gelaunt und Hansi (DG1HVL) spendierte aus dem hiesigen
Dorfgeschäft eine Runde „Warteeis“.
Abb.7 Eispause in Treuenbrietzen |
Abb.8 Sichtung von Sputnik 3B vor Zossen |
Abb. 9 Finderteam |
Nach Öffnung der Schranke mussten alle Verfolger aufgrund von
Bauarbeiten leider einen Umweg auf der B96 fahren und konnten dem
Ballon nicht mehr direkt folgen. Aufgrund der hervorragenden Antennen
konnten die 500mW Signale jedoch bis zum Bodenkontakt sicher
empfangen werden. Westlich der kleinen Ortschaft Telz bargen Mirko,
Andreas (DG0HAB), Kathrin und Franz-Alwin (DD3FA) die Nutzlast unweit
eines Feldweges im Mais. Alle Komponenten von Sputnik 3B hatten die
Reise unversehrt überstanden.
Nach Sichtung der Telemetriedaten hat unser Sputnik erfolgreich
eine Gipfelhöhe von 20234 Metern erreicht. Alle Komponenten bis auf
das GPS-Modul haben ihre Funktion wie erwartet erfüllt. Damit kann
die jetzige Firmware von Sputnik als fehlerfrei bezeichnet werden.
An dieser Stelle scheint das erfolgreiche Abenteuer Sputnik 3B
beendet, wäre da nicht noch die Spargelzeit im hiesigen Landegebiet.
Was jetzt folgte war schlimmer als die Verfolgungsjagd der Nutzlast.
Die Jagd auf einen kleinen, gemütlichen Landgasthof vor Ort. Leider
gab es in der ganzen Region keine Gaststätte, die noch nicht
verlassen und aufgegeben wurde. Nachdenklich fuhren dann alle zum in
40 Kilometern liegenden Spargel – Erlebnis – Hof. Dort empfingen
uns tausende laute Besucher aus Berlin und Umgebung. Trotz der Hektik
vor Ort hat allen das wohlverdiente Spargelgericht geschmeckt.
Vy 73 Jens DM4JH
Abb.10 Sputnik 3B in der Box |
Abb. 11 Öffnung der geborgenen Nutzlast |
Abb.12 Sputnik 3B unversehrt |
Abb. 13 Flugbahn von Sputnik 3B |