Sputnik 3 – eine dramatische Reise nimmt ihren Lauf
Abb. 1 Nutzlastkonzept von Sputnik 3 |
Als am Morgen des 26. Junis einige
Mitglie
der der AG Amateurfunk und Elektronik mit ihren Helfern den
Aufbau für die Bodenstation der bevorstehenden Sputnik 3 Mission
begannen, ahnte noch keiner die dramatischen Wendungen des Tages. Die
Wetterbedingungen morgens 10 Uhr versprachen einen ruhigen Start,
Tische und Stühle, Anschauungsmaterial und die Funkstation für die
Verfolgung des Ballons wurden schnell aufgebaut. Alexander (DD5DX)
und Ralph kamen auch pünktlich gegen 12 Uhr mit zwei vollen 40l
Heliumflaschen samt Füllgarnitur. Der Startplatz wurde mit
Schutzplane und notwendigen Utensilien hergerichtet. Zur Sicherheit
erfolgte eine Abspannung des mittleren Sportfeldes mit
Baustellenband.
Nach der Eröffnung des Schulfestes
trafen sich alle Beteiligten der Ballonmission zu letzten Absprachen.
Der Funkkontakt untereinander wurde noch einmal durch die anwesenden
Funkamateure Steffen (DO2AS) und Jens (DM4JH) getestet, bevor die
Verfolgerteams Andreas (DG0HAB), Dietmar (DL4HWO), Herbert (DL3HWO)
und Günter (DG3HWO) sich in Richtung der erwarteten Flugroute
begaben.
Die zweite Bodenkontrollstation in
Wolfen wurde von Sören (DL2HQS) und Andreas (DL9HWO) planmäßig in
Betrieb genommen. Mit den in 120 Meter Höhe befindlichen Antennen
auf dem Schornstein der Wolfener Stadtwerke sollten beide in der Lage
sein, unsere Mission über die ganze Dauer zu verfolgen.
Gegen 14.30 MESZ begann die Befüllung
des 1000g Wetterballons unter den Augen vieler Schaulustiger. Um das
Ereignis für die Anwesenden etwas verständlicher zu machen,
kommentierten die anwesenden AG-Mitglieder über eine
Lautsprecheranlage die einzelnen Schritte. Kurz vor dem Start traf
das MDR-Fernsehen Sachsen Anhalt ein.
Abb. 3 Befüllen des Ballons |
Abb. 4 Anbringen der Nutzlast |
Abb. 5 Die AG verabschiedet Sputnik 3 in die Stratosphäre |
Punkt 15.14 MESZ erhob sich Sputnik 3
unter Anwesenheit vieler hundert Schaulustiger in den Himmel. Die
Telemetrie funktionierte hervorragend, der Auftrieb des Ballons hob
die Nutzlast zügig über die Dächer der Stadt. Minuten später
konnte die Bodenstation anhand der übermittelten Daten Genaueres
über die Steigrate sagen. Statt der erwarteten 5 Meter pro Sekunde
flog die Nutzlast nur mit etwa 3 Meter pro Sekunde in die
Stratosphäre. Ein erster Schreck breitete sich unter den anwesenden
Mitgliedern der Bodenstation aus. Welche Konsequenzen sollte die
geringere Steigrate für die Flugdauer und Strecke haben? Eilig
wurden die Vorhersagen neu berechnet und angepasst. Die Flugdauer
musste etwa eine Stunde länger kalkuliert werden. Die Strecke dehnte
sich in Richtung Meißen (Sachsen) aus, um dann in oberen
Windströmungen zurück in den Bereich Döbeln zu führen. Egal,
jetzt war Zeit, einen Beruhigungskaffee zu trinken, nachdem die
Verfolgerteams über Funk darüber informiert waren.
Abb. 6 Sputnik 3 auf dem Weg |
In einer Höhe von etwa 10300 Metern
setzte dann um 16:30 MESZ plötzlich der Innentemperatursensor aus.
In der Box gab es bis dahin keine Auffälligkeiten. Die Temperatur
lag bei etwa 26 °C. Irgendetwas musste mit dem Drucksensor passiert
sein, weil die Temperatur von dem hochgenauen Temperaturnormal des
Sensors abgeleitet wurde.
Um 16:50 MESZ geschah dann das
Unglaubliche, Sputnik 3 verstummte in einer Höhe von 13030 Metern
bei einem Luftdruck von 173 hPa. Eine beklemmende Stille machte sich
unter den Anwesenden der Bodencrew breit. Was konnte die Nutzlast
nach fast zweistündigem erfolgreichen Flug zum Schweigen gebracht
haben? Fieberhaft wurde nach Fehlern in der Empfangsanlage gesucht,
die Frequenz nach oben und unten korrigiert. Aber es half nichts,
auch die Bodenstation 2 in Wolfen und die Verfolgerteams bestätigten
den Blackout der Nutzlast um 16.50 Uhr.
Es folgten bange Stunden und Hoffen.
Der Drucksensor wurde schnell als möglicher „Übeltäter“
ausgemacht. Sein kompliziertes I2C-Protokoll wurde noch nie unter
diesen Bedingungen, wie nahezu Vakuum und tiefsten Temperaturen
getestet. Obwohl im Datenblatt beschrieben stand, dass der Sensor bis
10hPa problemlos funktionieren sollte, schlossen wir einen Defekt
unter diesen Extrembedingungen nicht aus. Doch die Hoffnung wurde
zunächst nicht aufgegeben. Wenn Sputnik 3 nach seinem Burst wieder
in untere Schichten der Atmosphäre eindringen sollte, hofften wir
auf eine Wiederaufnahme seiner Signale. Das sollte etwa gegen 20 Uhr
passieren. Die Bodencrew nutzte die Zwangspause zu einer kleinen
Stärkung, Kathrin besorgte uns aus einem nahegelegenen Imbiss etwas
Verpflegung zum Trost.
Abb. 7 Bahn von Sputnik 3 bis zum Blackout |
Die Zeit der Wiederaufnahme möglicher
Signale rückte immer näher, doch auch nach 20 Uhr blieb die
Frequenz geisterhaft still. Die Stimmung der Bodencrew am
Liborius-Gymnasium sank langsam auf den Tiefpunkt. Der Sensor schien
durch den enormen Unterdruck mechanisch zerstört worden zu sein.
Alle hofften aber noch auf unser Notfallsystem, Ralph hatte seiner
Nutzlast einen sogenannten GSM Tracker beigefügt, der bei Annäherung
an die Erdoberfläche über ein Mobilfunknetz seine Position
übermitteln würde. Doch um 20.30 Uhr kam noch immer keine Meldung.
Der Ballon musste nach unseren Berechnungen längst gelandet sein.
Abb. 8 Ratlosigkeit bei der Bodencrew |
Jetzt wurde der Entschluss gefasst,
dass die Bodencrew noch bis 21 Uhr warten wollte, dann sollte die
Ballonmission aufgegeben werden. Die Zeit verstrich und kein Signal
konnte aufgenommen werden. Niedergeschlagen bauten alle die Antennen
und Geräte der Bodenstation ab. Die Verfolgerteams wurden über den
Abbruch der Mission informiert. Sie sollten auch den langen Weg von
Meißen nach Hause antreten. Keiner sagte ein Wort. Nach diesen
Ereignissen blieb nur noch die geringe Hoffnung auf einen ehrlichen
Finder.
Ralph und Alexander saßen schon im
Auto, um sich auf die Heimreise zu begeben, als beide plötzlich eine
Vollbremsung einleiteten. Gegen 21.05 Uhr meldete sich der GSM
Tracker, um 21.10 Uhr hatten wir die Gewissheit. Der Ballon war noch
in der Luft! 21.15 Uhr- Erleichterung und unglaubliche Freude unter
den Anwesenden. Die Landekoordinaten der Nutzlast wurden übertragen.
Abb. 9 Sputnik 3 im Feld bei Altenburg |
Nach knapp über sechs Stunden landete
die Sonde zwischen Modelwitz und Zschaiga im Altenburger Land,
südlich der Stadt Altenburg. Die direkte Entfernung zwischen Start-
und Landeplatz beträgt damit etwas mehr als 100 km. Der Ballon legte
bis zum Landeort mehr als 200 Kilometer zurück.
Natürlich wurden die Verfolger sofort
über Funk informiert. Die Teams beschlossen, die Bergung noch am
selben Tag (Nacht) einzuleiten. Wie der Zufall es wollte, lagen die
Koordinaten nicht weit vom Wohnort unserer Missionsmitglieder Ralph
und Alexander. Alle drei Teams bewegten sich in einer Art Sternfahrt
zum Landeort.
Abb.10 Das Bergungsteam vor Ort |
Alexander und Ralph trafen nach etwa
eineinhalb Stunden als erste am Landeort ein, nur wenige Minuten
später kamen auch Dietmar, Günter, Andreas und Herbert dazu. Die
Box wurde geöffnet und kontrolliert. Alles war unbeschadet. Der
Ballon mit Fallschirm und Nutzlast landete sanft in einem
Getreidefeld. Lediglich der Unterdruck hatte den Deckel der Nutzlast
gewölbt. Hier mussten extreme Kräfte gewirkt haben. War das der
Grund für den Ausfall des Drucksensors?
Die Teams führten einen Reset des
Mikrocontrollers von Sputnik 3 vor Ort aus. Siehe da, Sputnik sendete
wieder Signale.
Die Verfolgerteams aus Wolfen machten
sich mit Sputnik 3 auf den Weg nach Dessau. Gegen 1.45 Uhr trafen sie
gutgelaunt bei Kathrin, Steffen (DO2AS) und Jens (DM4JH) im Garten,
mittlerweile zu Hause ein. Dort warteten für alle zum Anstoßen zwei
gekühlte Flaschen Sekt. Bevor alle endlich zufrieden mit dem
Ergebnis der Sputnikmission ins Bett sanken, wurde natürlich noch
ein Blick auf die Ergebnisse der wertvollsten Nutzlast geworfen, der
Speicherkarte der Kamera. Mehr als vier Stunden und 48 Minuten HD
Videos aus bis zu 34 Kilometer Höhe wurden erfolgreich solange
aufgezeichnet, bis die Karte voll war. Alle Stromversorgungen haben
unter den Extrembedingungen durchgehalten.
Abb. 11 Atemberaubende Bilder der Kamera vom Start |
Abb. 12 Startosphäre in 34 Kilometer Höhe |
Eine Analyse der SD-Karte des
Flugschreibers am nächsten Tag bestätigte den Ausfall der Nutzlast
um 16.50 Uhr. Jetzt geht es an die Auswertung der Daten und an die
Ursachenforschung.
Alle sind der Meinung, es sollte
vielleicht einen Sputnik 4 geben. Vielleicht? ;-)
Danke an alle Beteiligten
Jens (DM4JH)
Abb. 13 Fertige Nutzlast ein Tag vorm Start |
Abb. 14 AG bei Lötarbeiten an der Nutzlast |
Abb. 15 Bau der Box für Sputnik 3 |
Abb.16 Das GPS Modul wird integriert |
Abb.16 Fertigstellung der Styroporbox |